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Ist Pharisäer ein Schimpfwort:
Wie kam es zur Diffamierung der Schriftgelehrten?

Nach Heinrich Graetz
Aus der "Volkstümlichen Geschichte der Juden", Band 3

Anfangs unterschieden sich "Judenchristen" und Judäer im religiösen Leben kaum voneinander, judäische Gesetzeslehrer und Obere der Ebioniter (eine von mehreren jüdischen Gruppierungen, die Gefallen an den christlichen Lehren gefunden hatten) verkehrten miteinander ohne Scheu*. Diese Harmlosigkeit zwischen Judäern und den jüdischen Anhängern des Jesus aus Nazrath (Nazareth) dauerte jedoch nicht lange.

Es liegt in der Natur des Menschen, den Gegenstand seiner Verehrung sich immer mehr zu idealisieren, und die Begeisterung für denselben nimmt in dem Maße zu, je mehr das wahre Wesen desselben dem Gesichtskreise entrückt ist. Im Verlaufe der Zeit erscheinen dem begeisterungstrunkenen Herzen selbst die Flecken an der hochverehrten Person als wesentliche Vorzüge, die störenden Male erglänzen in der täuschenden Ferne als ebenso viele Lichtpunkte.

Die Geschichte einer Trennung

Je mehr nun die judäischen Anhänger der christlichen Lehre das unbegreifliche Leben ihres Messias ergründen wollten, desto mehr vertieften sie sich in die Propheten, um sich von da aus Aufschluss über das Befremdende seiner Erscheinung zu holen, und glaubten darin Beziehungen und Winke zu finden. Zuletzt musste alles so geschehen sein, damit dieser und jener Ausspruch der Propheten vom Messias erfüllt werde. - Die Judenchristen (Sammelbezeichnung für die jüdischen Gruppen, die Gefallen an den christlichen Lehren gefunden hatten) blieben daher auch nicht bei der einfachen Anerkennung Jesu als Messias stehen, sondern neigten sich allmählich, ohne es zu wissen, dem Bekenntnisse der Heidenchristen (Bezeichnung für die nichtjüdischen Anhänger der christlichen Lehren) zu, sich Jesus mit göttlichen Eigenschaften begabt und mit Wunderkräften versehen zu denken.

Je mehr sich aber die Judenchristen im zweiten oder dritten Geschlechte in Vergöttlichung Jesu der Glaubenslehre der Heidenchristen näherten, desto mehr entfernten sie sich zwangsläufig vom Judentum.
Die Ebioniten, welche in Gütergemeinschaft und Armut das Wesen der Jesuslehre erblickt hatten, verminderten sich immer mehr und bildeten nur eine geringzählige Sekte.
Die meisten Anhänger der minäischen Richtung, die Nazaräer, sagten sich mit dem Kommunismus auch teilweise von dem Zusatz des Judentums los. Neben der Beschneidung behielten sie zwar noch den Sabbat bei, aber sie feierten dabei auch die von den Heidenchristen eingeführte Sonntagsfeier, als Tag der angeblichen Auferstehung Jesu. Mit der allmähligen Entfernung der Nazaräer vom Judentum und der Annäherung an die paulinisch-heidenchristliche Partei teilten sie auch die Abneigung derselben gegen ihre Stammgenossen, wie denn überhaupt der Hass der Glaubensparteien gegeneinander heftiger ist, wenn sie einander nahestehen und nur um ein geringes voneinander abweichen, als gegen die ihnen völlig fremden Kreise.

Die Diffamierung der Pharisäer

Der Hass der nazaräischen Stimmführer entbrannte besonders gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer, die Stimmführer der Judenheit. In diesen Trägern der mündlichen Lehre, die dem Lehrhauses von Jawneh nahestanden, sahen sie das Haupthindernis auf dem Wege sämtliche Judäer dem Glauben an Jesus zu überzeugen.

Man war in judenchristlichen Kreisen wie in jüdischen gewöhnt, alle Verhältnisse der Gegenwart aus dem Gesichtspunkte der heiligen Schrift anzuschauen und dafür Belege und Andeutungen aus dem Prophetenworte herbeizuziehen; es war dies die eindringlichste Art, gewisse Stimmungen zu erwecken und Überzeugungen beizubringen.

Die Nazaräer wendeten auf die Tanaiten, welche bei ihnen Deuteroten hießen, ganz besonders auf die zwei Schulen Hillels und Schammais, einen rügenden, drohenden Vers des Propheten Jesaias an: "Es wird sein zum Stein des Anstoßes und zum Sturze für die zwei Häuser Israels." "Unter den zwei Häusern meint der Prophet die zwei Lehrsekten Schammai und Hillel, aus denen die Schriftgelehrten und Pharisäer entstanden sind." Sie verunglimpften auch deren Nachfolger Jochanan Ben-Sakkaj, dessen Milde ihnen zum Muster hätte dienen können.

Mit einer kaum mit der Partei- oder Sektenleidenschaft entschuldbaren Schmähsucht legen die Nazaräer Jesus Schmähungen gegen die Gesetzeslehrer in den Mund, die nicht auf einen einzigen des damaligen Tanaitenkreises passten und, auf den ganzen Kreis angewendet, gewiss eine empörende Ungerechtigkeit waren.

Eine stehende Bezeichnung im Munde der Nazaräer für die Bewahrer der mündlichen Lehre war: "Heuchlerische Schriftgelehrte" und die Benennung Pharisäer war in diesem Kreise gleichbedeutend mit Heuchlern überhaupt, eine ebenso folgenreich-traurige, wie unwahre Bezeichnung.

Die nazaräischen Judenchristen haben eine lange Zukunft für die Judenheit vergiftet und ihren Haß vererbt, der im Verlaufe der Jahrhunderte eine erschreckende Steigerung erhielt. Denn sie haben diese Beschimpfung in den Schriften der Evangelien niedergelegt, welche Jesu Anhängern zur Belehrung und Nachachtung dienen sollten. Und indem die Verfasser der Evangelien haßerfüllte Worte gegen die ungläubigen Bewahrer des Judentums Jesus in den Mund legten - den sie doch sonst als Lehrer der Friedfertigkeit und Sanftmut verherrlichten - stempelten sie ihn zu einem ingrimmigen Feinde seiner Stammgenossen, welche nicht an ihn glaubten, sondern am ursprünglichen Judentum festhielten.

* Bsp.: Der strenge R. Elieser, welcher den Heiden allesamt den Anteil am ewigen Leben absprach, pflog mit einem Judenchristen Jakobus Unterredungen. Als Ben-Dama, ein Schwestersohn R. Ismaels, einst von einer Schlange gebissen wurde, war er im Begriffe, sich von demselben Jakobus durch eine Besprechungsformel im Namen Jesu heilen zu lassen. Der Übergang von der jüdischen Gemeinschaft zur christlichen war kein auffallender, anstößiger Schritt. Es mochten wohl einige Glieder jüdischer Familien dem judenchristlichen Bekenntnisse angehangen haben, ohne dadurch den Hausfrieden zu stören.
Chanania, ein Neffe R. Josuas, hat sich der Christengemeinde zu Kapernaum anschließen wollen, sein Onkel jedoch, der diesen Schritt gemißbilligt, hat ihn mit Gewalt diesem Umgang entzogen und ihn nach Babylonien, fern von christlichem Einflüsse, gesandt.

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