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Judenmission:
Welche Gruppen sind
besonders gefährdet?

Wie wir gesehen haben, besteht das Hauptanliegen der messianischen Bewegung darin, die Unterschiede zwischen Judentum und Christentum zu verwischen - letztlich aufzuheben - um diejenigen unter den Juden anzulocken, die der christlichen Botschaft ansonsten widerstehen würden.

Das ist eine Taktik - die zum Schrecken der jüdischen Welt - einen bemerkenswerten Erfolg hat, und zwar in den Teilen der jüdischen Gemeinschaft, die in besonders verletzlichen Lebenssituationen sind:

  • Jugendliche und junge Erwachsene
  • ältere Menschen
  • russische Juden
  • Menschen aus gemischten Partnerschaften

Warum sind gerade Juden, die zu diesen Gruppen gehören so enorm anfällig für die gegenwärtig stattfindenden Missionsattacken?
Warum gelingt es den Evangelikalen so relativ leicht, bei jüdischen Jugendlichen Gehör zu finden?

Sicherlich unternehmen die evangelikalen Gruppierungen große Anstrengungen bei ihren Missionsaktivitäten, aber was jüdische Jugendliche und junge Erwachsene betrifft, so kommen noch einige ungünstige Faktoren hinzu:

Junge Menschen sind oft besonders verwundbar und beeinflussbar. Sie sind unsicher in ihrem Selbstwertgefühl, in der Wahrnehmung der Welt um sich herum und in Bezug auf das Erwachsenwerden. Junge Menschen sind auf der Suche. In dieser Situation der Unsicherheit sind sie sehr offen für alle möglichen spirituellen Angebote. Hinzu kommt die Situation nach der Schoah. Jüdische Erziehung und Infrastruktur ist oft nicht in dem Maß zu gewährleisten, wie es notwendig und wünschenswert wäre.

Für die meisten jungen Erwachsenen ist es die Zeit, wo sie das Elternhaus verlassen und ein Studium aufnehmen und sich selbst in unterschiedlichen Bereichen ausprobieren (Studium, Partnerschaft etc). Nur eine Minderheit unserer jungen Leute hat eine umfassende jüdische Erziehung gehabt. Missionare wissen sehr genau um diese Situation und engagieren sich deshalb sehr stark im universitären Bereich, wo sie zu Bibelgruppen, Workshops, Wochenendfreizeiten, G-ttesdiensten und anderen Aktivitäten einladen.

Auch ältere Menschen sind in besonderem Maße anfällig. Es kann kein Zufall sein, daß es gerade in Südflorida, wo viele Ältere wohnen, so viele messianische Gemeinden gibt wie nirgends sonst in Nordamerika wenn man Gebiete mit gleicher Größenordnung wie Florida heranzieht.

Vielmehr als an den altersbedingten körperlichen Einschränkungen und Krankheiten leiden viele unter Einsamkeit und dem Gefühl, dass sie nicht mehr gebraucht werden. So begegnet den Laienmissionaren bei ihren Besuchen in Seniorenheimen nur wenig Widerstand. Ein freundliches Lächeln und eine sanfte Berührung bedeuten diesen allein gelassenen alten Menschen sehr viel. Sie hungern nach Zuwendung und Trost. Daher sind sie anfällig für missionarische Aktivitäten.

Bekanntlich sind gerade die russischen Juden das vorrangiger Ziel evangelikaler Missionsbemühungen. Sie sind in einem System aufgewachsen, in dem sie keinen Zugang zu jüdischer Erziehung und dem Reichtum ihres jüdischen Erbes hatten. Nur sehr wenige unter ihnen wissen über jüdische Feiertage oder andere Inhalte der jüdischen Tradition bescheid.

Ferner bedeutet die Emigration in ein anderes Land immer auch einen Kulturschock und die Auseinandersetzung mit neuen Lebensbedingungen. Wer aus einem System kommt, in dem alles in die Details des Alltags geregelt ist, ist oft in einer Umwelt, die auf Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Entscheidungen setzt, mehr oder weniger überfordert. Die festen Strukturen einer fundamentalistischen Gruppe spiegeln Sicherheit vor.

Außerdem engagieren sich viele evangelikale Gruppen bei der Hilfestellung in Alltagsdingen. Sie besuchen russische Juden in den Übersiedlerheimen, unterstützen sie bei Behördengängen, beschenken sie mit Kleidung oder Gegenständen des Alltagsbedarfs und bieten Kinderstunden an oder eben auch einmal einen Schabbat-Abend. Gelegentlich werden auch finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt. Die personellen Kapazitäten, die judenmissionarische Gruppen hier haben, stehen der jüdischen Gemeinschaft nicht zur Verfügung.

Für die älteren russischen Juden spielt auch die Erfahrung der Abwertung und Dequalifikation eine Rolle. Ihre beruflichen Qualifikationen - meist im akademischen Bereich - werden hier nicht anerkannt. Viele müssen - auch wenn sie gerne arbeiten würden - von Sozialhilfe leben. Außerdem verändern sich die Familienstrukturen, d.h. ihre Position in der Familie, durch die Emigration.
Andererseits werden sie durch ihre Situation als Arbeitslose oder Rentner zur Betreuung der Enkel herangezogen. Dies nützen die Judenmissionare sehr geschickt in ihrem Sinn aus:
Wer die alten russischen Juden hat und für sich gewinnt, hat damit auch Einfluß auf die Enkelgeneration, die von diesen betreut und geprägt wird.

Eine weitere Gruppe, die gefährdet ist, sind Menschen, die aus religiös gemischten Partnerschaften kommen. Auf den ersten Blick scheint das mehr diejenigen zu betreffen, die einen jüdischen Vater und eine nicht-jüdische Mutter haben, denn sie sind nach dem Verständnis des jüdischen Religionsgesetzes keine Juden. In messianischen Kreisen spielt diese Unterscheidung keine Rolle, denn dort ist Jude, wer ein "Nachkomme Abrahams" ist. Deshalb können Menschen mit einem jüdischen Vater hier auf Anerkennung hoffen, die ihnen im Bereich jüdischer Gemeinden nicht zuteil wird.

Auch wenn Leute eine jüdische Mutter haben und somit vom Religionsgesetz her Juden sind und somit keine Schwierigkeiten in der jüdischen Gemeinde haben, sind sie unter bestimmten Umständen empfänglich für die Botschaft der Judenmissionare. Wenn in Familien keine klaren Absprachen über die Erziehungskonzepte sind und so keine Zugehörigkeit zu einer Gruppe erlebt werden kann, weil die Botschaften sich widersprechen, kann daraus eine diffuse Identität entstehen. Außerdem scheint "messianisches Judentum" auf einer psychologischen Ebene die Möglichkeit zu geben Loyalitätskonflikte zwischen der christlichen und der jüdischen Seite so zu lösen, so dass man zu beiden gehört.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich einige Ansatzpunkte, was in Familien und von jüdischen Gemeinden getan werden kann. Diese Frage werden wir in Teil 3 aufgreifen und freuen uns auch auf Zuschriften mit Anregungen aus dem Leserkreis:

editor@hagalil.com / MiJu
Vielen Dank an Rabbiner Tovia Singer 
für hilfreiche Anregungen zu diesem Artikel

FORUM / LESERBRIEFE:
Die Offensive der Missionare

 


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