Talmud
Talmud, das Lernen, oder wie
Jakob Fromer übersetzte
"die Lernung", bezeichnet im eigentlichen Sinne das Studium der
Torah, des Pentateuch.
Im übertragenen Sinne versteht man unter Talmud ein Werk, in dem das
Ergebnis dieses Studiums niedergelegt ist und das sich aus der
Mischnah und der
Gemarah zusammensetzt, die dann durch weitere
Diskussionen und Kommentare noch vertieft
werden.
Häufig spricht man auch von der "mündlichen
Lehre", wenn man den Talmud meint, denn als Moses am Sinaj von G'tt
die Lehre des Lebens, die Torah, erhält, wird dieser Begriff im
Plural verwendet. Sifra beChukotaj erklärt hierzu: Torah wird nicht
im Singular, sondern als Toróth in der Mehrzahlform bezeichnet, um
uns zu lehren, dass dem Volk Israel zweimal Torah gegeben ist: eine
geschriebene und eine mündliche."
Die fünf Bücher Moses sind die "schriftliche
Torah",
der Talmud ist die "mündliche Torah".
Meir Seidler (Bar Ilan) bezeichnet den Talmud als das Herz
der jüdischen Eigenart und meint, das Wesen des jüdischen Volkes
liege in diesem Werk verborgen.
Aus einer säkularen Perspektive zeigt
Jonathan Rosen das
faszinierende Potential des Talmud für unsere moderne Welt, die
zugleich entwurzelter und vernetzter ist als je zuvor. Der Talmud
mit seinen die Grenzen von Zeit und Ort übergreifenden Debatten
sicherte das Überleben des Judentums nach der Zerstörung des
Tempels. Die unerschöpfliche Fülle der rabbinischen Überlieferung,
die Seiten des Talmud, wie auch das World Wide Web machen die Chance
eines Diskurses sichtbar, zu dessen Wesen es gehört, mit
Ungewissheiten und Paradoxien zu leben, anstatt sie mit autoritären
Sinnstiftungen aufzuheben.
Judentum ist demnach Dialog, Diskurs. Fragen, Reflektieren,
Austausch, Zweifel, Vorwurf, Zuspruch, Provokation. Ein immer wieder
Streiten und Argumentieren, das trotz aller Vorwürfe die gemeinsame
Basis nie in Frage stellt.
Und so fragt auch
Yves
Kugelmann: "Was gibt es Jüdischeres als den Diskurs, die
dialektische Diskussion, das ständige sich und alles andere, die
eigenen Positionen in Frage stellen, die unentwegte Reflexion, das
Streitgespräch, das in Worten Grenzen überschreiten lässt, die
Herausforderung durch das unsanktionierte Reden, welches die
Antennen für Gefahren und Chancen schärft?"
Mischnah
Die Mischnah (oder Mischna, Mehrzahl:
Mischnajoth), das Wiederholte, Überlieferte, Eingeprägte, besteht
aus kurzen Satzperioden, in denen die aus dem Studium der Torah
hervorgegangenen Halakhoth (Einzahl: Halakhah, Halacha oder auch
Halaka geschrieben) zusammengefasst sind.
Sie enthält sehr
genaue Anweisungen über die Umsetzung der
Mitzwoth, die in der Torah oft nur knapp erwähnt und
erläutert sind.
Zurückgeführt wird die Mischnah
auf Moscheh und
die Propheten. Gesammelt
und zusammengestellt wurden sie im 2. Jh. n.Z.
vom in Tiberias lebenden Patriarchen Rabbi Jehuda.
Sie zerfällt in sechs Ordnungen (Sedarim), die zusammen 63 Traktate
(Masechoth)
umfassen. Die Traktate setzen sich aus Kapiteln
(Prakim) und diese aus
Stücken oder
Lehrsätzen (Mischnajoth) zusammen. Das ganze
Werk hat einen Umfang von rund 600 Seiten.
Ordnung 1
Seraim, Saaten (Agrarbestimmungen), umfaßt elf Traktate:
1. Berakot, Lobsprüche. 2. Pea, Ecke. 3. Damai, was ist das? 4.
Ki-lajim, Verschiedenes. 5. Schebiit, das siebente Jahr. 6. Terumot,
Heben. 7. Maasrot, die Zehnten. 8. Maaser scheni, der zweite Zehnte.
9. Challa, Teighebe. 10. Orla, Vorhaut der Bäume. 11. Bikkurim,
Erstlinge.
Ordnung 2
Moed, Fest (Bestimmungen für die Festtage), umfaßt zwölf Traktate:
1. Schabbat, Sabbat. 2. Erubin, Vermischungen. 3. Pesachim, die
Passahfeste. 4. Schekalim, Silberlinge. 5. Joma, der Tag. 6. Sukka,
Laubhütte. 7. Beza, das Ei. 8. Rosch Haschana, Neujahr. 9. Taanit,
Fasten. 10. Megilla, die Rolle. 11. Moed Katan, der kleine Feiertag.
12. Chagiga, Festfeier.
Ordnung 3
Naschim, Frauen (Eherecht), umfaßt sieben Traktate:
1. Jebamot, Schwägerinnen. 2. Ketubot, Eheverträge. 3. Nedarim,
Gelübde. 4. Nasir, der Verlobte. 5. Gittin, Scheidebriefe. 6, Sota
die untreue Frau. 7. Kidduschin, Sakramente (Trauungen).
Ordnung 4
Nesikin, Beschädigungen (Zivil- und Strafrecht) umfaßt zehn
Traktate:
1. Baba Kamma, erste Pforte. 2. Baba Mezia, mittlere Pforte. 3. Baba
Batra, letzte Pforte, 4. Synhedrin, das Synedrion. 5. Makkot,
Schläge. 6. Schebuot, Schwüre. 7. Edujot, Bezeugungen. 8. Aboda
Sara, Götzendienst. 9. Abot, auch Pirke Abot, Sprüche der Väter. 10.
Horajot, Entscheidungen.
Ordnung 5
Kodaschim, Heiligtümer (Tempelrecht), umfaßt elf Traktate:
1. Sebachim, Schlachtopfer, 2. Menachot, Speiseopfer. 3. Chullin,
Nichtgeheiligte. 4- Bekorot, Erstgeburten. 5. Arakin, Schätzungen.
6. Temura, Vertauschung. 7. Keritot, Ausrottungen. 8. Meila,
Vergreifung an Geheiligtem. 9. Tamid, Beständig. 10. Middot, Masse.
11. Kinnim, Vogelnester.
Ordnung 6
Taharot, Reinheiten (Bestimmungen über das religiöse
Reinheitsgesetz), umfaßt zwölf Traktate:
1. Kelim, Geräte. 2. Oliolot, Zelte. 3. Negaim, Male. 4. Para, Kuli.
5. Teharot, Reinigungen. 6. Mikwaot, Tauchbäder. 8. Makschirin, die
für die Unreinheit fähig Machenden. 9. Sabim, die mit dem Ausfluß
Behafteten. 10. Tebul-Jom, jemand, der zur Reinigung während des
Tages ein Tauchbad genommen hat. 11. Jadaim, Hände. 12. Ukzin,
Stiele.
Gemarah
Nach ihrer Abfassung spielte die Mischna in den
Talmudschulen dieselbe Rolle wie früher die Tora. An die Stelle des
Midrasch, der Forschung, wie man die satzweise Erklärung der Torah
(Pentateuch) nannte, trat die Gemarah (oder Gemara oder auch
Gmarah, Mehrzahl: Gemarot oder G'maroth),
die satzweise Erklärung der Mischnah.
Gemarah meint also einerseits
"Abschluß" (hebr. ligmor), wie auch "Vervollständigung"
(hebr. legamre), im Sinne einer
Ergänzung der auf der Mischnah basierenden Diskussion.
Eine Bezeichnung für die einzelnen Sätze oder
Satzteile der Mischnastücke ist nicht vorhanden. Jakob Fromer hat
dafür den bei den griechisch-römischen Grammatikern gebräuchlichen
Ausdruck Scholie eingeführt, der an das hebräische Sch'elah (Frage)
erinnert.
Talmud Iruschalmi und Talmud Bawli
Im vierten nachchristlichen Jahrhundert wurden in Palästina alle
Gemarot gesammelt und erhielten zusammen mit der Mischna die
Bezeichnung "Palästinensischer Talmud" oder "Talmud
Iruschalmi".
Hundert Jahre später, gegen Ende des fünften nachchristlichen
Jahrhunderts, wurde in Babylonien, wohin inzwischen der größte Teil
der Juden ausgewandert war, eine neue Ausgabe dieses Werkes
veranstaltet, die in der Folgezeit die palästinensische nahezu
verdrängte. Das älteste handschriftliche Exemplar, das sich vom "Babylonischen
Talmud" oder "Talmud Bawli" erhalten hat, befindet sich
in der Münchner Staatsbibliothek und stammt schätzungsweise aus dem
elften Jahrhundert. Daneben gibt es auch noch eine Reihe von
Bruchstücken, von denen einige etwas früher angefertigt wurden.

Der erste vollständige Druck wurde in Venedig
in den Jahren 1520-23, auf Grund von Handschriften, die nicht ganz
fehlerfrei waren, hergestellt.
Dieser Text liegt allen späteren Ausgaben zugrunde. In allen ist die
Reihenfolge der Ordnungen,
Traktate, Kapitel und Stücke und die Paginierung die
gleiche.
Voran geht stets ein Stück mit der Überschrift "Mischnah", darauf
folgt die Gemarah.
Wenn das Mischnastück (durch die Gemarah) zu Ende erklärt ist, kommt
das nächste an die Reihe.
Abb.: Im 16. Jahrhundert waren die Juden
Venedigs
dazu gezwungen, in einem kleinen Viertel unweit einer Gießerei, die
"Ghetto" hieß, zu leben. Später wurde dieser Name auf die jüdischen
Viertel vieler Städte angewandt.
Kommentare
Rechts und links des Textes laufen zwei
Kommentare. Der eine ist vom aus Troyes in Nordfrankreich stammenden
und 1105 in Mainz verstorbenen Raw Schelomoh Jizhaki, in der
Abkürzung RaSchJ (oder Raschi) genannt, wovon der Kommentar
den Namen erhalten hat.
Der andere stammt von einer Schule, die im zwölften und dreizehnten
Jahrhundert in Frankreich und Deutschland bestanden hat, und deren
Lehrer Tosafisten (also Glossatoren, wörtlich die Hinzufügenden)
hießen. Man spricht deshalb auch von den Tosafoth.
Rings um diese beiden Kommentare befinden sich noch mehrere kleine
Anmerkungen, die von späteren Erklärern herrühren. Das ganze Werk,
das von den 63 Mischnatraktaten nur 36 behandelt, umfasst rund 6000
Folioseiten.
Siehe dazu auch
Raschi
und die Tosafisten...
Anm.:
Die
Torah (Fünfbuch = Pentateuch) besteht aus
den 5 Mosebüchern, die in der hebräischen Bibel jeweils nach einem
der ersten Worte des jeweiligen Buches heißen:
beReschith (im Anfang),
Schemoth
(die Namen),
vajikra
(Er rief),
baMidbar (in der Wüste) sowie
Dewarim (Reden).
Siehe auch
../judenmission/judenmission/bibel.htm.

In 12 Bänden:
Der Babylonische Talmud
Übersicht: Talmud
Zum Inhaltsverz.:
Judentum / Jahaduth
Nachrichten:
Jüdische Religion aktuell
hagalil.com
10-02-05 |