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Heiliges Blut:
Hinter- und Abgründiges zum "Hostienfrevel"

Mehr als irgendein anderes Motiv der vielfältigen anti-judaistischen Propaganda berührt der Vorwurf der Hostienschändung die grundlegendste Behauptung des Antijudaismus. Er geht den Ritualmord- und Brunnenvergiftungslegenden sozusagen voraus.

Es dürfte klar sein, dass es für das organisierte Christentum von Anfang an schwer zu akzeptieren war, dass ausgerechnet jenes Volk, aus dem der christliche Erlöser kam, nicht bereit war, diesen als Messias und damit als Erlöser auch des Judentums und der ganzen Welt zu betrachten.

Dieses Nichtakzeptieren ging im Laufe der Jahrhunderte nicht etwa in ein "Laisse faire" über, sondern schlug immer mehr in offene Ablehnung, Feindschaft, Neid und mörderischen Hass um.
Um diesen zu rechtfertigen, wurde der Vorwurf des Gottesmordes konstruiert, basierend auf dem Glauben, Jesus sei nicht nur ein Sohn Gottes, sondern Gottes einziger Sohn und dazu noch Gott selbst.

Es war nicht so einfach, Belege für den jüdischen Gottesmord zu finden, denn die Ereignisse vor, während und nach der römischen Zerstörung des Tempels waren so chaotisch und grausam, dass der Kreuzesstod eines Menschen kaum aus dem Massenmorden herausragte. Selbst unter der Annahme, dass ein gewisser Jeschu Ben-Josef jemals in Nazrath gelebt und als Wanderprediger gewirkt habe, sind die weiteren Begleitumstände, insbesondere um dessen Tod, viel zu widersprüchlich und unklar.

Der Vorwurf des Gottesmords

Nur so ist zu verstehen, dass es der bekannte Kirchenlehrer Hieronymus für nötig ansah, ausdrücklich zu erklären, der Jude an sich habe "viele Verbrechen begangen". Seine eigene Frage, welches denn nun das Schwerste sei, beantwortet Hieronymus gleich selbst: "Auch nach so langer Zeit der Not will Gott eure Knechtschaft nicht beenden. Er will den von euch erwarteten Anti-Christus nicht senden! Was ist euer Verbrechen, welch fluchwürdigen Vergehens wegen hat Gott seine Augen von euch abgewandt! Wenn ihr es nicht wisst, dann denkt an das Wort eurer Väter: 'Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Kommt, laßt uns ihn töten, und unser wird das Erbe sein! Wir haben keinen König außer dem Kaiser!'.
Ja, nun habt ihr, was ihr gewählt habt. Bis zum Ende der Welt werdet ihr dem Kaiser dienen, bis die Fülle der Heiden sich bekehrt. Erst dann kann auch ganz Israel gerettet werden, aber was einst Kopf war, wird jetzt zum Schwanz werden"...

Hieronymus war als Choleriker bekannt, denn er stieß häufig wilde Beleidigungen gegen Juden - aber auch anders denkende Christen - aus, die er gerne als "Teufel", "Schweine", "Schlachtvieh für die Hölle" und Schlimmeres bezeichnete.

...zur Schmähung und Belachung...
...das allerheiligste Sakrament vielfältig gestochen und danach in einen glühenden Ofen gelegt...

Bis zum Ende der Welt wollte das zur Staatsreligion aufgestiegene Christentum aber nicht warten. Vor der Bekehrung von Ganz-Israel sollten soviele Juden wie möglich, notfalls mit brutalster Gewalt, dem Judentum entrissen werden. Vor allem aber sollte wohl den Christen ein Gegenmodell zur Warnung und Abschreckung gegeben werden.

Obwohl sogar die christlichen Bücher, die Evangelien, berichten, dass für Verurteilung und Hinrichtung des "Christus" keine Juden, sondern Römer verantwortlich waren, hielt man diese anti-judaistische Gräuelpropaganda aufrecht und belegte auch Jahrhunderte danach geborene Generationen mit einer Kollektivschuld.   Dass die Juden nicht nur, sozusagen im Affekt, den christlichen Gott gemordet haben, sondern auch später immer wieder versuchten, seine Leibhaftigkeit zu quälen und sein Leiden zu verlängern, sollte die Mär von der Hostienschändung belegen.

Die Propaganda vom Hostienfrevel

Um dem absurden Vorwurf immer neue Nahrung zu geben, entstand schließlich die Propaganda vom Hostienfrevel. Diese Propaganda liegt wie kein anderer Vorwurf genau am Ursprung des christlichen Judenhasses.

Wäre der Vorwurf um die Hinrichtung des Jesus im Laufe der Jahrhunderte vielleicht verblasst oder durch die unklare Rollenverteilung vielleicht auch als "Affekthandlung" einiger weniger deutbar gewesen, lieferte die Hostienpropaganda den vermeintlichen Beweis dafür, dass die Juden absichtlich den göttlichen Christus töten wollten und es auch heute wieder täten, wenn sie nur könnten.

Die Lüge von der Hostienschändung

Panels from a woodcut showing the alleged desecration of the Host by Jews in Passau, Bavaria: a) Jews (with badges) carry a box containing the host into the synagogue. b) Blood flows from the Host when pierced by a Jew. c)The Jews are arrested ... d) ... and burned.
German woodcut, 1478
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Eine Wallfahrt im 21. Jahrhundert: Die Geschichte zur Hostie vom Heiligenblut

Der Vorwurf der Hostienschändung ist also ein fundamentaler Bestandteil in der Geschichte des massenhaften christlich motivierten Judenmords. Vorwürfe wie "Brunnenvergiftung", "Ritualmord" u.a. konnten auf dem durch Hostienlegenden immer wieder ins Bewusstsein gerufenen Vorwurf des Gottesmördertums gedeihen, denn wenn der "Christus" gleichzeitig Gott, als auch dessen Sohn ist, ist die Hostie die Inkarnation (Fleischwerdung) "seines Leibes". Man muss wohl davon ausgehen, dass diese Propaganda Millionen Todesopfer forderte.

Von Bedeutung war hier die Lehre von der Transsubstantiation, das ist (siehe wikipedia) die "kraft eines göttlichen Allmachtswunders erfolgende Wesensverwandlung von Brot (Hostie) und Wein in den Leib und das Blut Christi".

Die wikipedia weiter: "Als Hostienfrevel oder Hostienschändung bezeichnete die Propaganda des katholischen Klerus zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert einen angeblichen Missbrauch der geweihten Hostie, fast immer in Verbindung mit einem angeblich vorausgegangenen Hostienraub.

Diese Art Anschuldigungen wurden fast ausschließlich gegen Angehörige des Judentums, seltener auch gegen Hexen erhoben. Sie wurden bezichtigt, Hostien aus den Kirchen gestohlen bzw. von einem Christen/einer Christin gekauft zu haben, um diese dann zu "martern". Dies war, wie auch die Legenden vom angeblichen Ritualmord, ein häufiger Vorwand für Pogrome.

Den Hintergrund bildete die 1215 dogmatisierte Transsubstantiationslehre, nach der das bei der Eucharistie vom Priester geweihte Brot sich zum wahren Leib Jesu Christi verwandelt. Man schrieb der Hostie also nun göttliche Kraft zu.
Da für Christen alle Juden den Mord an Jesus Christus begangen und Gott sie deshalb für alle Zeiten verflucht habe, unterstellten sie ihnen nun, durch den angeblichen Hostienfrevel das Leiden Christi verlängern und seine Ermordung wiederholen zu wollen, um den christlichen Glauben zu verhöhnen".

Zu dieser Propaganda sozusagen "von Oben", fügte das einfache Volk noch etlichen Hokuspokus, Gräuel- und Wundergeschichten hinzu. Irgendwann sah man dann in der Hostie "ein Leben" und die gemarterte Hostie begann zu bluten, wie im Falle der Geschichte vom Heiligenblut zu Spalt.

Einige historische Beispiele (Quelle wikipedia) zur Veranschaulichung:
Die ältesten bekannten Berichte von angeblichem Hostienraub und Hostienmarter stammen aus dem 13. Jahrhundert.

Besonders bekannt wurde der Fall von Paris 1290, den viele damalige Chroniken verzeichnen, darunter das Chronicon des Johannes von Tilrode († 1298). Er schrieb, ein Pariser Jude habe von einer christlichen Magd für 10 Pfund Silber eine geweihte Hostie gekauft. Die versammelte Judengemeinde habe diese dann mit Messern, Stiletten und Nägeln traktiert, aber nicht zerstören können. Erst das größte Messer habe vermocht, die Hostie in drei Stücke zu teilen - dabei sei Blut ausgeflossen. Zuletzt habe man die Stücke in siedendes Wasser gelegt, worauf sie sich in Fleisch und Blut verwandelt hätten. Dieses Wunder habe viele der Versammelten zum christlichen Glauben gebracht - so auch den Verfasser dieses Berichts.

Alle spätere Berichte ähneln in ihrer Grundstruktur diesem Vorbild: Dem heimlichen Diebstahl oder Kauf einer Hostie folgt der kollektive Versuch, diese zu quälen und zu zerstören. Ihre Absicht war zunächst, den nachlassenden Glauben an die Segens- und Heilkraft der Hostie bei Christen zu stärken, indem auf angebliche Bekehrungen von Juden verwiesen wurde. Diesen wurde also indirekt ein Glaube an die Realität der Verwandlung der Hostie in den Leib Christi unterstellt.

Zugleich aber nahmen die Christen an, dass Juden einen angeborenen Hang zum "Gottesmord" hätten: Die zur Folterung der Hostie benutzten Messer und Nägel bildeten die Kreuzigung Jesu ab. Auch das Zerteilen der Hostie stellte ihren Angriff auf die christliche Trinitätslehre dar. Manche Berichte schmückten die Martern mit einer versuchten Verbrennung der Hostie aus, bei der dann Engel oder das Jesuskind erschienen sein sollten.

Im 14. Jahrhundert dienten Legenden dieser Art nur noch zur nachträglichen Rechtfertigung von Pogromen an Juden. Dies begann 1298: Damals kolportierte ein verarmter Ritter namens Rindfleisch eine Hostienschändung in Röttingen (Franken) und behauptete, er sei durch die persönliche Botschaft vom Himmel zum Vernichter aller Juden ernannt worden. Ein halbes Jahr lang zog er mit einer Rotte von Totschlägern durch über 140 fränkische und schwäbische Ortschaften. Sie folterten, schändeten und verbrannten Tausende von Juden und Jüdinnen und töteten deren Kinder. Nur die Bürger von Augsburg und Regensburg schützten ihre jüdischen Einwohner. Auch konnte ein Anteil der Verfolgten nach Polen und Litauen fliehen.


Aus der Schedelschen Weltchronik von 1493. Der Deggendorfer Hostienfrevel: "Das ellend iamerig und trostlose volck der iuden... hat das allerhailigst sacrament vilfeltiglich gestochen ... do warden die iuden ... mit gepürlicher peen des tods gestraft".

Die nächste Verfolgungswelle traf die jüdischen Gemeinden vom Elsass bis hinüber nach Schwaben und Österreich. 1336 hatten sich verarmte Bauern, Raubritter und wanderndes Raubgesindel zusammengefunden; sie gaben sich den Namen "Judenschläger" und rotteten viele jüdische Gemeinden aus, darunter 1338 auch die von Deggendorf. Dazu schrieb ein anonymer Mönch 1390: "In diesem Jahr [1337] wurde der Leib des Herrn, den die Juden gemartert haben, in Deggendorf gefunden, und sie wurden deswegen im Jahre 1338 verbrannt".

Alle späteren Legenden eines Hostienraubs basierten auf dieser kurzen Rechtfertigung. In den detailliert geschilderten Martern spiegeln sich die Foltermethoden der kirchlichen und weltlichen Behörden, nicht zuletzt der Inquisition. Wo vom versuchten Verbrennen der Hostie die Rede war, wurde nur der Scheiterhaufen für die Juden auf diese selbst projiziert und mit ihrem angeblichen "Verbrechen" an der Hostie gerechtfertigt. Auch Hexen wurden okkulter bzw. satanischer Praktiken mit gestohlenen Hostien bezichtigt.

Dies hatte fast immer verheerende Folgen für die so Beschuldigten und führte zu ihrer Vertreibung und Ermordung. Oft wurden an den Orten des vermeintlichen Hostienfrevels Kapellen oder Kirchen gebaut, nicht selten direkt über der zuvor niedergebrannten Synagoge. Darin wurden "Bluthostien" ausgestellt.


Einige Beispiele in Mitteleuropa (http://www.routledge.com)
Jahreszahl = Jahrhundert


In Klosterneuburg behauptete ein Priester 1298 einen Hostienfrevel von Juden und stellte dazu das Beweisstück einer "blutenden" Hostie selbst her. Dieses konnte ihm eine eigens entsandte bischöfliche Untersuchungskommission nachweisen. Von einer weiteren falschen Anschuldigung berichtet sogar die sonst sehr unkritische, um 1345 verfasste Chronik des Johannes von Winterthur: Eine Christin aus Ehingen (Schwaben) habe um 1330 konsekrierte Hostien gestohlen, um damit Zauberei zu treiben. Sofort wurden die Juden des Ortes dieses Diebstahls verdächtigt; 80 von ihnen seien unschuldig hingerichtet worden.


Desecration of the Host Libels
(http://www.routledge.com)

Wegen solcher Vorfälle warnte Papst Benedikt XII. den König Albrecht von Österreich 1338 vor der Verehrung von "Bluthostien", wie sie in Pulkau in dem Jahr eingeführt wurde. Nikolaus von Kues bemühte sich 1450 darum, diesen Kult vollständig zu unterbinden. Doch gerade in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nahmen die Anklagen wegen Hostienfrevels enorm zu.

Seit der Reformation im 16. Jahrhundert traten auch in katholischen Ländern, wo die Transsubstantiationslehre in Kraft blieb, kaum noch Anklagen wegen Hostienfrevels auf: Das reformatorische Verständnis des Abendmahls wirkte hier mäßigend auf den heidnisch-magischen Aberglauben der christianisierten Volksfrömmigkeit ein.
Dies galt jedoch nicht für die damals ebenso gängige Anklage auf Ritualmord: Dieses antijudaistische Stereotyp wurde selbst von Päpsten noch im 19. Jahrhundert propagiert und ist in einigen katholisch geprägten Ländern bis heute aktuell.

Außerdem:

dg / haGalil onLine - 01-12-2005


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