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Talmud

Talmud, das Lernen, oder wie Jakob Fromer übersetzte "die Lernung"

Unsystematisch schwebend und assoziativ

Jakob Fromer

Schon die Mischna entbehrt trotz der scheinbaren Systematik des logischen Aufbaues. Die Ordnungen, Traktate, Kapitel und Stücke sind häufig willkürlich aneinander gereiht. Sätze, die aus einer Reihe von Gliedern bestehen, werden gewöhnlich nur durch ein einziges Glied angedeutet. In der Gemara treten diese Mängel noch weit stärker hervor. Sprache und Sinn sind häufig selbst den Eingeweihten unverständlich. Man gewinnt den Eindruck, als verlören sich die Erklärungen und Auseinandersetzungen ins Uferlose. Themata, die mit der Sache nichts zu tun haben, werden scheinbar an den Haaren herbeigezogen. Wer sich in diesem Labyrinth zurechtfinden will, muss sich auf Schritt und Tritt von zahlreichen Kommentaren und Kompendien leiten lassen, vor allem die Fähigkeit des intuitiven Erfassens haben, die nur durch eine von Kindheit an gepflegte Übung gewonnen werden kann.

Um so schwieriger ist es, dem Uneingeweihten einen Einblick in dieses Werk zu ermöglichen. Die Übersetzung kann im besten Falle nur den Text genau wiedergeben, Um ihn verständlich zu machen, muss man ihr Wort für Wort und Satz für Satz Anmerkungen und Erklärungen beifügen. Das wirkt nicht nur äußerst ermüdend, sondern kann auch seinen Zweck nie ganz erreichen. Der talmudische Text muss, wenn er verständlich gemacht werden soll, in den meisten Fällen umgestellt, zusammengezogen oder erweitert werden. Der Kommentar aber ist an die Wortfolge des Textes gebunden.

Das sind die Gründe, die mich veranlaßt haben, bei der vorliegenden Übersetzung eine neue Methode anzuwenden. Ich schicke jeder Scholie ein Referat voraus, worin ich, ohne irgendwelche Vorkenntnisse vorauszusetzen, den Inhalt und die Zusammenhänge erkläre. Darauf lasse ich die Übersetzung folgen, die, weil ihr Sinn dem Leser bereits bekannt ist, sich dem Text aufs genaueste anschmiegen kann und, bis auf geringe Ausnahmen, von jeder Einschaltung frei ist*.
Bei dem knappen Raum, der mir bei dieser Arbeit zur Verfügung stand, mußte ich eine Auswahl treffen. Ich entschied mich zunächst für fünfzehn Traktate, die den modernen Leser besonders interessieren dürften. Um bei der weitern Auswahl, die ich nun vornehmen mußte, eine Willkür möglichst auszuschalten, griff ich grundsätzlich die ersten Seiten eines jeden Traktates heraus. Auf diese Weise sind im ganzen 114 Textseiten zur Bearbeitung gelangt. So gering auch diese Auslese im Verhältnis zu dem ganzen Talmudwerke ist, dürfte sie doch dem Uneingeweihten,


* Dem Texte legte ich die gewöhnlichen Talmud-Ausgaben zugrunde. Wo es nötig schien, korrigierte ich ihn nach Rabbinowicz Sariae lec-tiones im Talmud' (München und Przemysl 1867 bis 1897).

 

Unter http://www.juedisches-recht.org/miller/talmud-blatt.htm findet sich die erste Seite des ersten Traktats Berachot (Segenssprüche) in der ersten Ordnung Sera'im (Saatgut) aus dem babylonischen Talmud.

 

Ein weiteres Beispiel: Die erste Mischna im Traktat Jom-Tov (oder Beza = Ei) fängt mit den Worten an: "Ein am Feiertag gelegtes Ei - Bet-Schamai sagt, es darf gegessen werden und Bet-Hillel sagt, es darf nicht gegessen werden". Zu beachten ist, dass es sich um ein Ei, das ein zum Essen bestimmtes Huhn, im Gegensatz zu einem zum Eierlegen vorgesehenen, am Feiertag gelegt hat.
Elf lange Seiten beschäftigt sich die Gemara mit diesem einen kurzen Satz. Was zum Schluß dabei herauskommt erfahren Sie hier...

 


 


dem es nur darauf ankommt, einen Einblick in die talmudische Dialektik zu gewinnen, vollkommen genügen. Als Kommentar zu der fast ausschließlich aus Halakot bestehenden Mischna müßte sich die Gemara nur mit rechtswissenschaftlichen Fragen beschäftigen. Von Zeit zu Zeit empfanden jedoch die Talmudlehrer das Bedürfnis, ihren Geist von dieser äußerst anstrengenden Beschäftigung auf leichtere Dinge abzulenken, die mit ,Aggada\ Erzählung, Unterhaltung, bezeichnet werden und auf alle nichtjuristischen Wissenszweige, wie Philosophie, Geschichte, Geographie, Naturkunde usw., vor allem Erbauung, Sitten, lehre und Exegese sich erstrecken. Diese mit der Mischna In keinem ursächlichen Zusammenhang stehenden Partien kommen in der Regel erst in den späteren Kapiteln vor. Zur Einführung in dieses Werk schien mir der neunte Traktat der dritten Ordnung, betitelt ,Pirke Abot', Sprüche der Väter, besonders geeignet, weil er ein getreues Bild von der sittlichen Beschaffenheit der Talmudlehrer gewährt und zugleich einen kurzen Überblick über die Geschichte des Talmud gibt.
In der überlieferten Fassung freilich können diese Sprüche nicht recht zur Würdigung gelangen, besonders soweit der moderne Leser dabei in Betracht kommt. Die Ordnung nach den Talmudlehrern, von denen die einzelnen Sätze herrühren, macht die Übersicht äußerst schwer. Dazu haben auch die Namen der Lehrer für die Uneingeweihten wenig Interesse und werden deshalb als störend empfunden. Ich habe nun das Ganze nach Materien geordnet und dabei die Namen der Autoren weggelassen. Da diese Sprüche bis auf geringe Ausnahmen gemeinverständlich sind, beschränkte ich mich auf eine bloße Übersetzung. Dabei war es mir in erster Reihe um eine gehobene und rhythmische Sprache zu tun.
Um ihretwillen zog ich zuweilen eine freie Übertragung vor. In der Regel aber hielt ich mich streng an den Wortlaut des Textes. In dem einleitenden Stück, die Überlieferung der G'tteslehre', fügte ich dem Wortlaut eine Ergänzung hinzu.

Charlottenburg, im Oktober 1924
JAKOB FROMER

 


2000 Lizenzausgabe für Komet Verlag, Frechen © MECO Buchproduktion, Dreieich
Alle Rechte vorbehalten Druck und Bindung: Graphischer Großbetrieb Pößneck
ISBN 3-933366-66-6 Printed in Germany

Ben-Bag Bag und Ben-Hej Hej aktuell:
Wende es immer von neuem, denn alles ist darin enthalten

Talmud und Internet - Eine Geschichte von zwei Welten...

Ben-Bag Bag sagte:
Drehe sie hin und drehe sie her, denn alles ist in ihr...

Sprüche der Väter zur G'tteslehre...

 


DER BABYLONISCHE TALMUD

 

 

DIE G'ttESLEHRE

IHR URSPRUNG UND IHRE GESCHICHTE

MOSES EMPFING DIE TORA, die G'tteslehre, am Berge Sinai.
Die Lehre empfing er in einer schriftlichen und mündlichen Gestalt. Die schriftliche Lehre enthielt die nach ihm genannten fünf Bücher. In der mündlichen Lehre, dem Talmud, war alles angedeutet, was die maßgebenden Schriftgelehrten in der Folgezeit von der schriftlichen Tora ableiten würden.
Moses überlieferte die Lehre dem Josua.

Josua überlieferte sie den Ältesten,
Die Ältesten regierten zur Zeit der Richter das Volk. Mit ihnen endete die erste Überlieferungsepoche. Sie kennzeichnete sich durch die Zeitrechnung nach dem Auszug aus Ägypten.

Die Ältesten übergaben sie den Propheten und die Propheten den Männern der großen Versammlung.
Diese Synode stand von der Zerstörung des ersten Tempels bis zu der Zeit, da Palästina unter die Herrschaft des griechischen Königs Seleucos kam, an der Spitze des jüdischen Volkes.

Der letzte unter den Männern der Großen Synode war Simon der Gerechte.
Mit ihm endete die zweite Epoche. In ihr zählten die Juden nicht mehr nach dem Auszug aus Ägypten, sondern nach der Regierungszeit ihre Könige.

Die Männer der großen Synode übergaben die Tora den Talmudlehrem. Mit ihnen begann die dritte Epoche. Sie kennzeichnet sich durch die Zählung nach der Herrschaft der Seleuciden (Lischetarot) und zerfällt in vier Perioden.

In der ERSTEN PERIODE heißen die Talmudlehrer Peruschim, Pharisäer, Abgesonderte, weil sie die Berührung mit den talmudisch ungebildeten Volksmassen, den Amej haArez, ängstlich mieden. Der Nasi, Patriarch, der an der Spitze ihres Synhedrion, des hohen Rates, stand, wurde durch Wahl ernannt.

Die ZWEITE PERIODE begann mit dem Patriarchen Hillel, der in der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts gelebt hat. Mit ihm wurde das Patriarchat erblich. Die Talmudlehrer hießen fortan Rabbanan, unsere Herren (Einzahl: Rabbi, mein Herr [Matthäus 23,7: ,und habens gerne, daß sie... Rabbi genannt werden']) und Chachamim, die Weisen. Der Nasi hieß Rabban, unser Herr.

Die DRITTE PERIODE beginnt mit der Zerstörung des zweiten Tempels (70 n. Chr.). Neben den früheren Bezeichnungen erhielten die Talmudlehrer noch den Titel Tannaim, Tannaiten, Überlieferer, weil sie die auf mündlichem Wege sich fortpflanzenden Entscheidungen (Mischnajot, Einzahl Mischnah) sammelten.

Die VIERTE PERIODE beginnt mit dem Abschluß der Mischna (Anfang des dritten nachchristlichen Jahrhunderts) und endet mit dem Abschluss des babylonischen Talmud (Ende des fünften nachchristlichen Jahrhunderts). Die palästinensischen Lehrhäuser verkümmern, während die babylonischen zur Blüte gelangen. Die Talmudlehrer heißen jetzt Amoraim, Amoräer, Erläuterer, weil sie sich hauptsächlich mit der Herstellung einer Gemara, Erklärung zur Mischna, befaßten. In Babylonien wurden sie nicht mehr Rabbi, sondern Rab oder Mar, Herr, genannt. Die vierte Periode umfasst die Zeit von dem Abschluss des Talmud bis in die Gegenwart. In ihr wird nach der Weltschöpfung gezählt. Der babylonische Talmud ist die einzig maßgebende Rechtsquelle. Die VÄTER, von denen die Sprüche dieses Traktates herrühren, sind die Talmudlehrer der ersten und zweiten Periode der dritten Epoche, die Pharisäer und Tannaiten.)

Sprüche der Väter:
Die G'tteslehre

Die Masakheth Awoth im babylonischen Talmud

Aus dem 1.Kapitel

Ein köstlich Kleinod ist die G'tteslehre, sie beglückt in diesem und im künftigen Leben. 6,7. Wer sie ehrt, wird geehrt, wer sie missachtet, wird verachtet. 4,8.

Wer ihren Dienst auf sich nimmt, wird von den weltlichen Lasten befreit; wer sich ihr entzieht, dem wird der Gesellschaft Joch aufgebürdet. 3,6.

Seinen Liebling, seinen Freund nennt dich G'tt, so du dich ihr liebevoll ergibst. Sie schmückt dich mit Demut und G'ttesfurcht, begnadet dich mit Gerechtigkeit und Redlichkeit, Frömmigkeit und Treue. Sie bekleidet dich mit Macht und Würde, verleiht dir Einsicht und Scharfsinn in der Rechtsergründung, so dass alle deines Rates und deiner Tatkraft sich erfreuen. So erhöht und erhebt sie dich über alle Menschen. 6,1.

Eher kann man zum Amt des Hohenpriesters und zur Königswürde gelangen als zu ihr.

Zahlreiche Tugenden heischt ihr Erwerb: emsigen Fleiß und unermüdliches Forschen, Ohrenspitzen und deutliches Sprechen, Einsicht und Verstand, G'ttesfurcht und Sündenscheu, heiteres Gemüt und lauteren Sinn, Verkehr mit Lehrern, Umgang mit Genossen und Auseinandersetzung mit den Schülern, Einschränkung des geschäftlichen Erwerbs und des weltlichen Verkehrs, Mäßigkeit im Schlaf, der Unterhaltung und Zerstreuung, Langmut und Herzensgüte, festen Glauben und Geduld im Leiden, Bescheidenheit und Genügsamkeit, Knappheit im Reden und Prunklosigkeit im Handeln, Liebe zu G'tt und zu den Menschen, Liebe zur Tugend und zur Redlichkeit, willige Hinnahme der Zurechtweisung und Flucht vor Ehrenbezeugungen... 6, 6.

2

Trachte immer tiefer in die G'tteslehre einzudringen, denn alles ist in ihr enthalten. Bis ins höchste Alter lass nicht ab von ihr, denn die Beschäftigung mit ihr ist der beste Beruf. 5, 25.

Wer nicht lernen will, ist des Lebens unwert; wer nicht zulernt, nimmt an Wissen ab. 1, 13.

Befleißige dich ihrer, denn sie ist kein erblich Gut. 2, 17.

Sprich nicht: "Wenn ich Muße habe, will ich lernen", du möchtest dann nie Muße haben. 2, 5.

Wer sie pflegt in der Not, der wird sie auch im Wohlstand pflegen können. Wer sie im Glück verschmäht, der wird sie auch in der Armut vernachlässigen müssen. 4, 11.

Wer nur eines ihrer Worte vergisst, der hat sein Seelenheil verwirkt. 3, 10.

Wer sich mit ihr auf dem Wege beschäftigt, und sich unterbricht und sagt: wie schön ist dieser Baum, wie schön ist dieser Acker, der vergeht sich an seinem Seelenheil. 3, 9; 3, 5.

Ein Sitz der Spötter ist der Ort, wo zwei zusammensitzen und nicht von der Lehre reden, ein Aufenthalt G'ttes aber, wo sie sich mit der Lehre befassen. 3,5.

Wenn drei an einem Tische essen, ohne von G'ttes Wort zu reden, ist es, als ob sie ein Götzenmahl zu sich nähmen, reden sie aber von G'tt, dann ist es, als äßen sie am Tische G'ttes. 3,4.

Wo zehn zusammensitzen und sich mit der Tora befassen, weilt G'ttes Geist unter ihnen und sie bilden eine G'ttesgemeinde... 3,7.

 

3

Wandere dahin, wo die Tora heimisch ist, und wähne nicht, dass sie zu dir kommen werde. Nur im Verkehr mit Lerngenossen erhältst du dich in ihrem Besitz. Verlass dich nicht auf deinen Scharfsinn. 4, 18.
Verschaff dir einen Lehrer, um dem Zweifel zu umgehen. 1, 16.
Ein Sammelplatz der Weisen sei dein Haus. Sitze zu ihren Füßen und trinke dürstend ihre Worte. 1, 4.
Wer ist weise? Der sich belehren lässt von jedermann. 4, 1.

Sei lieber ein Schweif vom Löwen als ein Haupt vom Fuchse. 4,20.

Wo es (jedoch) an Männern fehlt, sei bestrebt, ein Mann zu sein. 2, 6.

Ein Rabbi erzählte: Einst wanderte ich des Weges, da begegnete mir ein Mann. Er bot mir den Friedensgruß und ich erwiderte ihn. Er fragte mich: Rabbi, von welchem Orte bist du? Ich erwiderte ihm: aus einer großen Stadt, reich an Weisen und Gelehrten. Weiter fragte er: Rabbi, möchtest du dich nicht entschließen, deinen Wohnsitz in unserem Orte zu nehmen? Ich würde dir Tausende von Gold-Dinaren, Edelsteinen und Perlen geben. Ich aber sprach zu ihm: Wenn du mir alle Reichtümer der Welt gäbest ich wohnte doch nur an einem Ort, wo die Tora heimisch ist...
Wenn der Mensch von hinnen scheidet, geleiten ihn nicht Silber und Gold, nicht Edelsteine und Perlen, sondern sein Wissen und seine guten Werke... 6, 9.

4

Was man in der Kindheit lernt, gleicht der Tintenschwärze, die auf neues Papier aufgetragen wird. Was man aber im Alter erlernt, das ist wie Tinte auf beschriebenem Papier. 4,25.

Ein Rabbi sagte einst: wer von Kindern lernt, der ist als wenn er nicht gereifte Trauben äße und Wein aus der Kelter tränke. Wer aber von den Alten lernt, der gleicht dem, der die Trauben genießt, wenn sie reif sind, und den Wein trinkt, wenn er alt worden ist.
Ihm entgegnete ein anderer: "Achte nicht auf den Krug, sondern darauf, was darin ist. Mancher Krug ist neu und hat doch alten Wein, und mancher Krug ist alt und hat nicht einmal jungen Wein". 4, 26-27.

Vier Arten gibt es unter den Jüngern der Weisheit: Schwamm, Trichter, Seihe und Schwinge. Der Schwamm saugt alles ein; der Trichter lässt hinaus, was er eingenommen hat; die Seihe lässt den Wein hindurch und behält die Hefe zurück; die Schwinge wirft die Kleie hinaus und behält das Mehl. 5, 17.
Vierfach unterschieden sind die Fähigkeiten der Schüler: leicht fassen und leicht vergessen: da wird der Vorzug von dem Fehler aufgewogen.
Schwer fassen und schwer vergessen: da wird der Fehler von dem Vorzug aufgewogen.
Leicht fassen und schwer vergessen: das ist das Beste.
Schwer fassen und leicht vergessen: das ist das Schlimmste. 5,15.

Der Tor und der Weise verraten sich in sieben Dingen. Der Weise schweigt vor dem, der ihn an Einsicht überragt; er fällt dem andern nicht ins Wort, und ist bedachtsam in der Antwort, er fragt zur Sache und antwortet nach Gebühr, spricht vom ersten zuerst und vom letzten zuletzt, wovon er nichts weiß, sagt er, ich weiß es nicht. Wenn er einsieht, dass er sich geirrt hat, gesteht er seinen Irrtum unumwunden ein. Gegenteilig von alledem handelt der Tor. 5, 10.

Wer von einem anderen einen Abschnitt oder einen Satz, einen Vers, selbst auch nur ein Wort oder einen Buchstaben nur gelernt hat, ist verpflichtet, diesem ehrerbietig zu begegnen. 6,3.

Frage immer wieder, wenn du nicht verstanden hast. Der Schüchterne taugt nicht zum Weisheitsjünger. 2, 6.

Die Achtung vor deinem Genossen gleiche der Ehrfurcht vor deinem Lehrer, und die Ehrfurcht vor deinem Lehrer gleiche der Ehrfurcht vor G'tt. 4, 15.

Wärme dich am Feuer der Weisen und nimm dich in acht vor ihren Kohlen, damit du dich nicht verbrennest. Denn der Biss der Weisen ist wie der des Fuchses und ihr Stich wie der des Skorpions und ihr Zischen das einer Schlange. 2,15.

5

Seid, ihr Lehrer, bedachtsam mit euren Lehren, denn ein Versehen wird leicht zum Frevel. 4, 16.
Trage nichts vor, was nicht öffentlich bekannt werden darf; es könnte doch in die Öffentlichkeit gelangen. 2, 5.
Die Ehre deines Schülers sei dir lieb wie die eigene. 4, 15.

(Übe Nachsicht mit den Schülern)
nicht zum Lehrer taugt der Zornige. 2, 6.

Lehre um zu lernen, lerne, um danach zu leben. 4, 6.

(Wenn du zu Gericht sitzest) frage sorgfältig die Zeugen aus. Sei aber behutsam mit deinen Fragen, dass sie nicht aus ihnen lernen, die Wahrheit zu umgehen.

(Wenn du zu Gericht sitzest) wirf dich nicht zum Sachwalter der Parteien auf, betrachte vielmehr beide für schuldig, so lange sie vor dir stehen. Sobald sie aber von dir gegangen sind, siehe sie als schuldlos an, wenn sie deinem Urteil sich gefügt haben. 1, 8.

Richte nie allein, denn richten darf nur G'tt. Sprich nicht zu deinen Gerichtsgenossen: schließt euch meiner Meinung an. Darüber sollen sie entscheiden und nicht du. 4, 10.

Hast du vieles gelernt, so tue dir nichts darauf zugute, denn schließlich wurdest du ja geschaffen um zu lernen. 2, 9.

Mache die G'tteslehre nicht zu einer Krone, um damit zu prunken, und nicht zu einem Spaten, um damit zu graben. 4,7.

Wer die G'tteslehre missbraucht, geht zugrunde. 1,13.

Heilsam ist die G'tteslehre, wenn sich ihr ein weltlicher Beruf gesellt; beider Pflege hält die Sünde fern. 2, 2.

Ohne G'tteslehre keine Gesittung, ohne Gesittung keine G'tteslehre. Ohne Weisheit keine G'ttesfurcht, ohne G'ttesfurcht keine Weisheit. Ohne Wissen keine Einsicht, ohne Einsicht kein Wissen. Ohne Nahrung keine G'tteslehre, ohne G'tteslehre keine Nahrung. 3, 21.

Liege (jedoch) weniger den Geschäften und desto mehr der Tora ob, und sei bei allem Wissen demütig gegen jedermann... 4,12.

Wer allzu sehr dem Erwerbe sich ergibt, wird nicht weise. 2,6.

Dies ist der Weg zur Tora: Brot mit Salz sollst du essen, selbst Wasser zugemessen trinken, auf der Erde sollst du schlafen, ein entbehrungsvolles Leben sollst du fuhren und bei alledem rastlos ihr dich widmen. Wenn du also tust, dann heil dir hienieden und wohl dir im künftigen Leben. 6,4.

Trachte nicht nach Ruhm noch nach Ehre. Achte mehr auf Tun, denn auf Wissen. Lass dich nicht gelüsten nach der Tafel der Fürsten. Denn deine Tafel und deine Krone stehen höher denn die ihren. 6,5.

Viel Fleisch, viel Gewürm; viel Güter, viel Sorgen; viel Weiber, viel Zauberei; viel Mägde, viel Unzucht; viel Knechte, viel Untreue; viel Tora, viel Leben... 2,8.


7

Auf drei Dingen steht die Welt: auf der Tora, (
dem G'ttesdienst und der Nächstenliebe. Höher als die Erforschung der Lehre steht die gute Tat. 1, 17. * Bestandlos ist das Wissen, wenn es nicht auf der Tat begründet ist. 3, 12.
Was frommt die Weisheit, wenn sie nicht vor der Sünde zu schützen vermag. 3, 11.
Einem Baume mit vielen Zweigen und wenig Wurzeln gleicht, der vieles weiß und wenig tut. Bricht ein Sturm herein, dann beugt er ihn nieder und wirft ihn um. 3, 22.



(Höher aber als die Tat steht die G'ttesfurcht.) Wer die Heiligtümer entweiht, die Feste verachtet, seinen Nächsten öffentlich beschämt, den Bund Abrahams zerstört und die Tora mißdeutet, der hat keinen Teil am Jenseits, selbst wenn er die Tora lernt und Wohltaten übt. 3, 15.


Drei Kronen gibt es: die Krone der Tora, des Priestertums und des Königtums. Die Krone eines guten Namens überstrahlt sie alle. 4,17.
8 Seid nicht wie die Knechte, die dem Herrn
nur um des Lohnes willen dienen, sondern wie jene, die ihrem Herrn dienen ohne Rücksicht auf
Einleitung
den Lohn. Die Ehrfurcht vor G'tt walte in euch 1,3. Sei mutig wie derTiger und aufstrebend wie der Adler, schnell wie der Hirsch und stark wie der Leu, um denWillen deines himmlischen Vaters zu vollbringen. 5, 23.
Sei eifrig in der Übung der unscheinbarsten guten Tat und in dem Meiden einer noch so geringen Sünde, denn unübersehbar sind die Folgen. 4, 2.
Wenn du betest, dann tue es nicht, um nur dem Herkommen zu genügen, sondern es sei ein inbrünstiges Flehen vor G'tt... und zweifle niemals an seiner Gnade. 2, 18.
Gib G'tt von dem deinen, denn alles ist sein: du und alles, was du hast. 3, 8.
Mache G'tteswillen zu dem deinen, damit er deinen Willen zu dem seinen mache. Unterdrücke deinen Willen vor dem seinen, damit er jeden Willen deiner Feinde vor dem deinen unterdrücke. 2, 4- *
* Was du auch unternimmst, das tue im Namen G'ttes. 2, 17.
Jeder Streit um G'ttes Willen ist von bleibendem Wert. Jeder Streit um persönliche Dinge stiftet Unheil. Das Vorbild eines segensreichen Streites sind die Schulen Hilleis und Schammais, das eines unheilvollen Streites hingegen der persönliche Zwist der Rotte Korah. 5, 20.


Jeder im Namen G'ttes gestiftete Verein hat Bestand. 4, 14. * Wer den Namen G'ttes auch nur heimlich entweiht, der entgeht der öffentlichen Strafe nicht, gleichviel ob er es fahrlässig oder mutwillig getan. 4, 5.
Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich? Wenn ich nur für mich bin, was bin ich? Und wenn nicht jetzt, wann denn? 1, 14. *
* Der Tag ist kurz, der Arbeit ist gar viel. Die Arbeiter sind träge, der Lohn ist groß und der Hausherr drängt. 2, 20.
Es liegt dir nicht ob, selbst das
Einleitung
Werk zu vollenden, aber du hast nicht die Freiheit, dich ihm zu entziehen. 2, 21.


Dein Werkmeister ist zuverlässig und zahlt dir den Lohn deines Wirkens; doch wisse, daß dem Frommen die Belohnung erst jenseits zuteil wird. 2, 21. *t* Das Leben hienieden gleicht einer Vorhalle der künftigen Welt. Rüste dich in der Vorhalle, damit du würdig werdest, in den Palast zu treten. 4, 21.
Einen Fürsprecher erwirbt sich, wer ein göttliches Gebot erfüllt, einen Ankläger, wer eine schlechte Tat begeht. Die Bußfertigkeit zusammen mit der guten Tat bilden einen Panzer gegen das Strafgericht. 4, 13.
Eine Stunde der Buße und guter Werke hienieden ist mehr wert als das ganze Jenseits, und die Seligkeit einer Stunde im Jenseits ist mehr wert als alle Freuden dieses Lebens. 4, 22.
Alles ist vorhergesehen, dennoch ist die freie Wahl gegeben. Nach Gnade wird die Welt gerichtet, dennoch wird alles nach dem Übergewicht der guten Handlungen entschieden. 3, 19.
Alles wird auf Borg gegeben und ein Netz ist über alles Lebende ausgebreitet. Der Laden ist offen.und der Krämer borgt. Das Buch ist aufgeschlagen, und die Hand schreibt. Wer geliehen haben will, mag kommen und leihen. Die Schuldforderer gehen täglich umher und ziehen die Schulden ein, gleichviel ob der Schuldner willig ist oder nicht, denn sie haben eine feste Stütze. Der Urteilsspruch ist ohne Fehl... 3, 20.
Als Hillel einst einen Schädel auf dem Wasser schwimmen sah, sprach er: weil du ertränkt hast, haben sie dich ertränkt, und auch die, welche dich ertränkt haben, werden ertränkt werden. 2, 7.
Demütig sei der Mensch, denn was des Sterblichen harrt, ist der
Einleitung
Wurm. 4, 4- *
* Bedenke drei Dinge und du wirst nie in eine Sünde verfallen. Bedenke, woher du kommst, wohin du gehst und vor wem dereinst du Rechenschaft abzulegen haben wirst. Du kommst von einem verfaulten Tropfen, gehst zu Staub und Gewürm und wirst dereinst vor dem König der Könige Rede stehen müssen. 3, 1.
Der Geborenen harrt der Tod und des Todes die Auferstehung, und der Auferstehung das Gericht vor dem, der Schöpfer und Bildner, Kläger, Zeuge und Richter ist, vor dem es weder Unrecht noch Vergessen, weder Begünstigung noch Bestechung gibt. Und laß dich nicht vom bösen Trieb beschwichtigen, daß das Grab eine Zufluchtsstätte für dich sei. Gegen deinen Willen wurdest du erschaffen, gegen deinen Willen lebst du, gegen deinen Willen wirst du sterben, und gegen deinen Willen wirst du Rechenschaft ablegen müssen vor dem König der Könige, dem Heiligen, gelobt sei er. 4, 29.
Traue dir selbst nicht bis zum Tage deines Todes. 2, 3.
9| Unterordne dich dem Haupte, sei nachsich-
tig gegen die Jugend und komme jedermann freundlich entgegen. 3, 16; 4, 20; 1, 15.
Liebe den Frieden und jage ihm nach. Liebe die Menschen und leite sie zur Tora. 1,12.
Dein Haus sei weit geöffnet, und die Armen seien deine Hausgenossen. 1,5.
Manche unterstützen die Armen, sehen es aber nicht gern, daß es auch andere tun: das sind die Eifersüchtigen. Andere handeln umgekehrt: das sind die Geizigen. Die Frommen geben und wünschen, daß es auch andere tun. Die Bösen geben nichts und verleiten auch die anderen dazu. 5, 6.


Mein ist
16
Einleitung
mein und dein ist dein, das ist die Gesinnungsart der gewöhnlichen Menschen oder gar der Sodomiter. Mein ist dein und dein ist mein, so spricht der Pöbel. Mein ist dein und Dein ist dein, das ist die Gesinnung der frommen. Mein ist mein und Dein ist mein, das ist die Gesinnungsart des Bösewichtes. 5, 13.
Jede Liebe, die auf einer Sache beruht, verschwindet mit der Sache. Nur die Liebe, die auf nichts beruht, ist von Dauer.


Bestandlos war die sinnliche Liebe zwischen Amnon und Tamar, unvergänglich hingegen die Freundschaft zwischen Jonatan und David. 5, 19. Die Ehre deines Nächsten sei dir so viel wert wie die eigene. 2, 15.


(Auch) der Besitz deines Nächsten sei dir heilig wie der deine. 2, 17.


Verschaffe dir einen Lehrer, gewinne dir einen Freund und beurteile jeden Menschen nach der günstigen Seite. 1, 6.


Verdamme niemand, solange du nicht in seiner Lage warst. 2, 6.
Freue dich nicht über die Trübsal deines Feindes, dein Herz frohlocke nicht, wenn er gestrauchelt ist. Der Ewige könnte es mißfällig sehen und seinen Zorn auf dich wenden. 2, 24. *

Versuche es nicht, deinen Nächsten zu besänftigen, wenn er vom Zorn überwältigt ist. Tröste ihn nicht, solange der Tote vor ihm liegt. Suche ihn nicht von seinem Ziele abzubringen in dem Augenblick, in dem er es gefaßt hat, und besuche ihn nicht in der Stunde seiner Erniedrigung. 4, 23.
1 C\ Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede sind J. \J* die Pfeiler der menschlichen Gesellschaft.
1,18.


Sondere dich nicht von der Gesamtheit ab. 2,5.
An wem die Menschen Wohlgefallen haben, an dem
Einleitung
hat auch G'tt Wohlgefallen... 3, 13.
Welches ist der rechte Weg, den der Mensch erwählen soll? Der, der nicht nur dem, der ihn betritt, sondern auch den andern Menschen ehrenhaft erscheint. 2, 1.


Wer sich der Menschenfreundlichkeit, der Bescheidenheit und der Genügsamkeit befleißigt, gehört zu den Jüngern Abrahams, die Mißgünstigen, Übermütigen und Habgierigen hingegen zu denen Bileams. 5, 23.
Bete für das Wohl der Obrigkeit. Wenn die Furcht vor ihr nicht wäre, würde einer den andern lebendig verschlingen. 3, 2.
n Liebe die Arbeit, fliehe die Ehrsucht und
dränge dich nicht zu den Großen. 1, 10.
Seid behutsam im Verkehr mit den Großen, die den Menschen nur um des eigenen Vorteils willen an sich ziehen. Sie begegnen ihm freundlich, solange ihr Nutzen es heischt, und stehen ihm nicht bei, wenn er in Not gerät. 2,3.
Wer Prozesse meidet, der entgeht der Feindschaft, dem Raub und dem Meineid. Wer sich bei der Rechtsentscheidung überhebt, ist töricht, frevlerisch und hochmütig. 4,9. * Halte dich fern von einem bösen Nachbar. Geselle dich nicht zu einem schlechten Menschen und wähne nicht, daß die Strafe ausbleiben werde. 1, 7.


Mein Leben lang habe ich unter Weisen verbracht und habe gefunden, daß für den Menschen nichts heilsamer sei als Schweigen. 1, 17. * Sprich wenig und tue viel. 1, 15.
Spare mit deinen Worten bei der Frau, sei es eine fremde oder die eigne. Wer viel mit ihr schwatzt, zieht sich Böses zu, wird von der Tora abgelenkt und gerät am Ende in die Hölle. 1,5.
Ver-
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Einleitung
gnügungssucht und leichter Sinn lenken von Zucht und Sitte ab. Die mündliche Überlieferung ist ein Zaun für die geschriebene G'tteslehre. Die Zehntengaben bilden einen Damm gegen übermäßigen Reichtum. Die Gelübde sind Gehege für die Mäßigkeit. Schweigen ist der Weisheit Zaun. 3, 17.
Der Schlaf in den Morgen hinein, das Weingelage am Mittag, das Schwatzen mit Kindern, der Aufenthalt unter Ungebildeten führen zur Versumpfung. 3, 14.
Verachte niemand und unterschätze nichts. Es gibt keinen Menschen, der nicht seine Stunde finden, und kein Ding, das nicht irgendwie zur Geltung kommen könnte. 4, 3.
Ein Rabbi fragte einst seine Schüler: ,Was ist's, worauf der Mensch im Leben den größten Wert zu legen habe?' Der eine sagte: ,ein wohlwollendes Auge', der andere:,ein guter Freund', der dritte: ,ein guter Nachbar' der vierte ,das Schauen der kommenden Dinge', der fünfte: ,ein gutes Herz'. Der Rabbi schloß sich der letzten Ansicht an, weil in ihr alle andere enthalten ist. 2, 13.


Vier Gemütsarten gibt es: schwer zu erzürnen und schwer zu besänftigen: leicht zu erzürnen und leicht zubesänftigen: bei beiden wiegt der Nachteil den Vorteil auf. Schwer zu erzürnen und leicht zu besänftigen: das ist die Gemütsart der Frommen; leicht zu erzürnen und schwer zu besänftigen, das ist die Gemütsart der Frevler. 5,14-
Wer ist ein Held? Wer sich selbst beherrscht. Wer ist reich? Der mit seinem Lose zufrieden ist. Wer wird verehrt? Der die Menschen ehrt. 4, 1.
Schönheit und Kraft, Reichtum, Ehre und Weisheit, hohes Alter und tugendhafte Kinder sind ein Schmuck der Frommen und ein Schmuck der
Einleitung
Welt. 6, 8.
Im fünften Lebensjahre ist der Mensch reif für das Lesen der Tora, im zehnten für das Lesen der Mischna, im dreizehnten für die Übung der göttlichen Gebote, im fünfzehnten für die Erklärung der Mischna, im achtzehnten für die Ehe, im zwanzigsten für den Lebensberuf, im dreißigsten gelangt er zu voller Kraft, im vierzigsten zu vollem Verstand, im fünfzigsten zu einsichtigem Rat, im sechzigsten zum gesetzten Alter, mit siebenzig zum Greisenalter, im achtzigsten zum hohen Alter, im neunzigsten zum Verlöschen, im hundertsten ist er wie tot. 5, 24.
20
ERSTE ORDNUNG:
SAATEN
1. TRAKTAT
,BERAKOT\ LOBSPRÜCHE
1. KAPITEL
MISCHNA 1
DIE JÜDISCHE RELIGION weist einen ausgesprochenen demokratischen Zug auf. Die altägyptischen Priester haben ihre heiligen Schriften, im Gegensatz zu den demotischen, volksgebräuchlichen, in einer dem Volke unverständlichen Schrift, den Hieroglyphen, abgefaßt, um das Volk von den Geheimnissen der Religion fernzuhalten und um so fester an die Hierarchie zu fesseln. Aus demselben Grunde hat die katholische Kirche die Übersetzung der heiligen Schrift aus der dem Volke unverständlichen lateinischen Sprache in die Landessprache verboten. Im Pentateuch findet sich eine Reihe von Geboten und Verboten, die ausdrücklich als eine Reaktion gegen die ägyptischen Sitten und Gebräuche bezeichnet werden, so das Verbot des Totenkultus, worin ausdrücklich gesagt wird, daß man es nicht so wie die Ägypter machen solle. Ebenfalls im Gegensatz zu den Ägyptern scheint der Verfasser des Pentateuch vorgegangen zu sein. Er bedient sich einer durchaus volkstümlichen Sprache und mahnt das Volk auf das nachdrücklichste, sich mit dieser Schrift eingehend zu befassen. ,Und du sollst von ihnen -den Geboten der Tora - reden, wenn du im Hause sitzest und auf dem Wege gehest, dich niederlegest und aufstehest' (5 B. M. 6, 7.)


Ein zweiter charakteri-
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Erste Ordnung
stischer Zug der jüdischen Religion ist die Verharrung bei dem einmal Festgesetzten. Andere Nationen pflegen die Gesetze, die mit den Zeitverhältnissen nicht mehr übereinstimmen, abzuändern oder ganz aufzuheben. Anders die Juden.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß sie tatsächlich vor dem Einzug in Kanaan in der Wüste geweilt und dort Gesetze erhalten haben, so könnte man ihn aus dem oben angeführten Gebote unzweideutig erbringen. Nur von einem in der Wüste sich aufhaltenden Volke, das von Nahrungssorgen nicht abgelenkt wurde, konnte man verlangen, daß es vom Morgen bis zum Abend sich unablässig mit der Schrift befassen sollte.Sobald die Hebräer in Kanaan eingewandert waren und sich dem Ackerbau ergeben hatten, war die Befolgung dieses Gebotes unmöglich geworden. Anstatt es aber aufzuheben, wurde es umgedeutet. Man legte das Schwergewicht dieses Gebotes auf die Schlußworte: ,Wenn du dich niederlegest und wenn du aufstehest. Also nicht den ganzenTag, sondern nur am Abend, kurz vor dem Schlafengehen, und nur am Morgen, kurz nach dem Aufstehen. Man hielt es auch nicht für erforderlich, täglich die ganze Tora zu studieren, sondern beschränkte sich auf einige ihrer wichtigsten Stellen. Als solche galten: Höre Israel, der Herr unser G'tt, der Herr ist einzig. Du sollst deinen G'tt lieben von ganzer Seele, von ganzem Herzen und von ganzem Vermögen...' 5. B. M. 6,4-9, u. a.Verse. Das Wort ,Höre\ mit welchem die erste Stelle beginnt, lautet in der Schrift ,Schemä'. Nach diesem Worte wird die ganze Auslese bezeichnet. Nach einem alten jüdischen Brauche, der später umgangen wurde, durf-
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te man die Worte der heiligen Schrift nicht auswendig hersagen, sondern man mußte sie lesen, daher ,Keriat Schema', ,Lesen des Schema". An diese wahrscheinlich aus der frühesten biblischen Zeit stammende Rezitation knüpfte sich später die .Tefilla', das Abend- und Morgengebet; das aus einer Reihe von Lobsprüchen besteht.
Unsere Mischna befaßt sich mit der Frage, innerhalb welchen Zeitraums diese Rezitation stattzufinden hat. Mit andern Worten, welche Zeitpunkte unter ,Und wenn du dich niederlegest und aufstehest' gemeint sind. Die Zeitbestimmung des Keriat Schema am Morgen behandelt sie im nächsten Kapitel. Hier sucht sie zunächst die des Abends festzustellen. Bei dieser Frage bedient sie sich des ungenauen Ausdrucks: von wann an liest man das Schema am Abend ?' Genauer hätte es heißen müssen: von wann an bis wann'. Als Antwort gibt sie das Ergebnis einer Debatte wieder, die hierüber im Syne-drion zu Jabne unter dem Vorsitz des Rabban Gamliel stattgefunden hat. Über die Anfangszeit waren alle einig, daß sie mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, zu dem die Priester, die sich in religiösem Sinne verunreinigt hatten, nach erfolgter Reinigung eintreten (beginnen) durften, von der heiligen Gabe zu essen, ,... und wer irgendein Gewürm anrührt, dadurch er unrein wird... ist unrein bis zum Abend und soll von dem Heiligen nicht essen, sondern zuvor den Leib in Wasser baden, und wenn die Sonne untergegangen und er rein geworden ist, so mag er davon essen'. 3 B. M. 22, 7. Schwieriger war die Frage über die Endzeit. Hier mußte man zu einer astronomischen Bestimmung greifen. Die Mehrheit des Synedrion, die Cha-
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kamim', die Weisen, entschieden sich für Mitternacht. Eines der Mitglieder hingegen setzte diesen Zeitpunkt auf das Ende der ersten Nachtwache', der Vorsitzende des Synedrion, Rabban Gamliel, sogar bis zum Erscheinen des Morgensterns. Unsere Mischna verweist noch auf einen Vorfall, wonach die Söhne des Gamliel in später Nacht von einem Gastmahl heimkehrten und auf die Frage, ob sie noch das Schema lesen dürften, von ihrem Vater die Antwort erhielten, daß dies bis zum Erscheinen des Morgensterns gestattet sei. Auch die Chakamim, fügt die Mischna hinzu, seien dieser Ansicht; sie hätten aber grundsätzlich bestimmt, daß alle religiösen Handlungen, die bis zum Aufsteigen des Morgensterns auszuüben sind, bis Mitternacht vollbracht sein müssen, da man sie sonst verschlafen könnte. Die Mischna führt noch zwei solcher Fälle an: das Verbrennen der Fettstücke und bestimmter Teile der Opfertiere, das in der dem Schlachttage folgenden Nacht geschehen muß; ferner das Verzehren der Opfer, das innerhalb eines Tages erfolgen muß.
Bemerkenswert ist, daß die Ansichten der Opponenten erwähnt werden, während die Mischna sonst ihrem kodifikatorischen Charakter gemäß nur die geltenden Entscheidungen ausdrücklich hervorhebt. Endlich fällt auch die Erzählung auf, die von den Söhnen Gamliels eingestreut wird. Derartige Illustrationen sind sonst in der Mischna nicht gebräuchlich.
WORTGETREUE ÜBERSETZUNG, BL. 2a
Von welcher Zeit an liest man das Schema am Abend? Von der Zeit an, da die Priester hineingehen,
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von ihrer heiligen Gabe zu essen, bis zum Ende der ersten Nachtwache. Die Worte des Rabbi Elieser. Die Chakamim aber sagen: bis Mitternacht. Rabban Gamliel sagt: bis der Morgenstern aufsteigt. Es begab sich, daß seine Söhne vom Gastmahl kamen. Sie sprachen zu ihm: Wir haben (noch) nicht das Schema gelesen. Er erwiderte ihnen: ,Wenn der Morgenstern noch nicht aufgestiegen ist, seid ihr verpflichtet, zu lesen'. Und nicht dies allein haben sie gesagt, sondern überall, wo die Weisen gesagt haben: bis Mitternacht, gilt ihr Gebot: bis der Morgenstern aufsteigt. Das Abdampfen des Fettes und der Glieder, ihr Gebot gilt: bis daß der Morgenstern aufsteigt. Und alle (Opfer), die an demselben Tage verzehrt werden müssen, ihr Gebot ist: bis daß der Morgenstern aufsteigt.Wenn dem so ist, warum haben die Chakamim gesagt: bis Mittemacht? Um den Menschen von der Sünde fernzuhalten.
GEMARA
SCHOLIE 1. Von welcher Stelle der Tora leitet die Mischna das Keriat Schema ab? Warum wird der Abend dem Morgen vorausgeschickt ? Zur Beantwortung dieser beiden Fragen verweist die Gemara auf 5. B. M. 6, 7: Wenn du dich niederlegest und wenn du aufstehest. Hieraus geht hervor, daß man zweimal am Tage das Schema lesen muß, und daß ferner der Tag mit dem Abend beginnt. Als zweiten Beleg für die Tatsache, daß bei den Hebräern der Tag mit dem Abend beginnt, wird 1. B. M. 1,5 angeführt: ,Und es ward Abend und es ward Morgen, ein Tag'.
In dem nächstfolgenden Mischnastück werden die Lob-
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Sprüche behandelt, die dem Schema voraus- und nachgeschickt werden. Bei dieser Gelegenheit ist zuerst vom Morgen und dann vom Abend die Rede. Diesen scheinbaren Widerspruch erklärt die Gemara damit, daß die Mischna, die vorher bereits mit dem Abend begonnen hat, nunmehr mit dem Morgen fortfährt.
WORTGETREUE ÜBERSETZUNG, BL. 2a
Der Mischnalehrer, worauf bezieht er sich, daß er lehrt: ,von welcher Zeit an?' Und dann, warum verändert er, indem er zuerst am Abend' lehrt. Sollte er doch zuerst vom Morgen lehren. Der Mischnalehrer bezieht sich auf die Schrift. Denn es ist geschrieben: Wenn du dich niederlegest und wenn du aufstehest', und er lehrt so: wann ist die Zeit des Keriat Schema beim Niederlegen? Von der Stunde an, da die Priester hineingehen, von ihrer heiligen Gabe zu essen. Und wenn du willst, sage ich: er entnimmt es aus der Schöpfung der Welt. Denn es ist geschrieben: ,Und es ward Abend und es ward Morgen, ein Tag'. Wenn es so ist, hätte doch das letzte (das nächste Mischna-stück), welches lehrt: am Morgen sagt man zwei Lobsprüche vorher und einen nachher, und am Abend sagt man zwei vorher und zwei nachher' .zuerst mit dem Abend beginnen sollen. Der Mischnalehrer fängt an mit dem Abendlichen, dann lehrt er das Morgendliche, da er sich beim Morgendlichen befindet, erklärt er die Dinge des Morgens und dann erklärt er die Dinge des Abends.


SCHOLIE 2. Wir haben bereits die im 3. B. M. 5-7 angeführte Bestimmung kennengelernt, wonach der
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unrein gewordene Priester erst dann vom Heiligen wieder essen darf, wenn die Sonne untergegangen ist und er sich gereinigt hat. Dieser Satz lautet im hebräischen Texte: ,u-ba haschemesch we-taher' - ,und die Sonne ist gekommen, und er ist rein'. Unter ,die Sonne ist gekommen' kann man ebensogut den Anfang wie das Ende des Sonnenunterganges verstehen. [Die Gemara bedient sich hierbei unklarer Bezeichnungen. Sie nennt den Anfang des Sonnenunterganges ,Biat oro' - ,das Kommen seines Lichtes', und das Ende ,Biat schimscho' - ,das Kommen seiner Sonne'. ,Seiner' bezieht sich auf den Priester.] Ebenso zweideutig ist der Ausdruck ,wetaher' - ,und er ist rein'. Er kann sich auf den Priester beziehen und also besagen, daß dieser sich beim Sonnenuntergang reinigen muß. In diesem Falle muß man unter ,die Sonne ist gekommen' den Anfang des Sonnenunterganges verstehen. Er kann sich aber auch auf den Tag beziehen und ,zu Ende gehen' bedeuten. So lautet eine babylonische Redewendung: ,Die Sonne ist untergegangen und der Tag ist rein geworden'. In diesem Falle darf der Priester von der heiligen Gabe essen, wenn die Sonne untergegangen ist, gleichviel ob er die zur Sühnung vorgeschriebene Waschung vorgenommen hat oder nicht. Unter ,und die Sonne ist untergegangen' muß dann das Ende des Sonnenunterganges verstanden werden. Die Gemara hält die letztere Deutung für richtiger, weil es sonst ,wa-jithar' - ,und er soll gereinigt sein', und nicht ,we-taher' (Perfectum) hätte heißen müssen.
Während es beim Sonnenuntergang bezüglich des Priesters nicht zweifelfrei ist, ob es sich um den Anfang oder das Ende handelt, ist

 

Die Torah (Fünfbuch = Pentateuch) besteht aus den 5 Mosebüchern, die in der hebräischen Bibel jeweils nach einem der ersten Worte des jeweiligen Buches heißen: beReschith (im Anfang), Schemoth (die Namen), vajikra (Er rief), baMidbar (in der Wüste) sowie Dewarim (Reden).

Siehe auch ../judenmission/judenmission/bibel.htm.

In 12 Bänden: Der Babylonische Talmud
Übersicht: Talmud
Zum Inhaltsverzeichnis: Judentum / Jahaduth

Nachrichten: Jüdische Religion aktuell

hagalil.com 02-02-2005


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